Interpretation is not (as most people assume) an absolute value, a gesture of mind situated in some timeless realm of capabilities. Interpretation must itself be evaluated, within a historical view of human
consciousness. In some cultural contexts, interpretation is a liberating act. It is a means of revising, of transvaluing, of escaping the dead past. In other cultural contexts, it is reactionary, impertinent, cowardly, stifling. (…)
Ideally, it is possible to elude the interpreters in another way, by making works of art whose surface is so unified and clean, whose momentum is so rapid, whose address is so direct that the work can be…just what it is. Is this possible now? It does happen in films, I believe. This is why cinema is the most alive, the most exciting, the most important of all art forms right now. (…)
What is important now is to recover our senses. We must learn to see more, to hear more, to feel more.
Our task is not to find the maximum amount of content in a work of art, much less to squeeze more content out of the work than is already there. Our task is to cut back content so that we can see the thing at all. The aim of all commentary on art now should be to make works of art – and, by analogy, our own experience – more, rather than less, real to us. The function of criticism should be to show how it is what it is, even that it is what it is, rather than to show what it means.
In “Pilgrimage”: “Reading and listening to music: the triumphs of being not myself.”
Link for the original essay: https://static1.squarespace.com/static/54889e73e4b0a2c1f9891289/t/564b6702e4b022509140783b/1447782146111/Sontag-Against+Interpretation.pdf
A video essay providing an overview of Susan Sontag’s landmark essay „Against Interpretation“ (1964) and illustrating some of its ideas with Stanley Kubrick’s The Shining (1980). https://inv.nadeko.net/watch?v=kYINwG7l17s
For Susan Sontag, writing within a journal was not merely an opportunity for radical honesty; rather, it was, in itself, a fundamentally generative act. “In the journal,” she wrote, “I do not just express myself more openly than I could to any person; I create myself.”
“What sort of diary should I like mine to be?” asked Virginia Woolf. “Something loose knit and yet not slovenly, so elastic that it will embrace anything, solemn, slight or beautiful that comes into my mind.”
Nun also Susan Sontag. Mit Lesen und Musikhören genießt sie in ihrer Studentenbude den „Triumph nicht ich zu sein“, wie sie im Tagebuch notiert. Das Schreiben selbst gehört auch zu diesem „Triumph“. Es ist gegen sich gerichtet, aber nicht selbstquälerisch. „Selbsterkenntnis ist nicht das Ziel. Kraft – was ich will ist Kraft … Die Kraft zu handeln.“ Zu sich kommen heißt für sie, sich darauf vorbereiten, groß herauszukommen. Eilenberger gibt eine dichte Beschreibung ihres für die Bühnen der Welt bestimmten Lebensentwurfes. „Sie vertiefte sich tagsüber in Beckett, Borges und Benjamin und war jede Nacht auf drei Szenenpartys gleichzeitig; sie rauchte drei Schachteln am Tag …; sie dinierte mittags mit Leonard Bernstein und Jackie Kennedy und ging nachmittags mit deren Schwager Bobby ins Bett; sie betrog ihre besten Freundinnen mit deren kahlköpfigen Ehemännern und sich selbst mit Warren Beatty; … sie war eine nationale Berühmtheit und konnte von ihrem Schreiben doch kaum leben; sie war eine alleinerziehende Mutter und transatlantische Jetsetikone … sie strebte nach Tiefe und ließ sich von Warhol in dessen Factory fotografieren; sie dominierte jede Diskussion und verfluchte sich für ihre offenbare Unfähigkeit, auch nur ein einziges Mal die Schnauze zu halten.“
Anders als Adorno fühlt sich Susan Sontag angezogen vom Betriebsgeheimnis der Kulturindustrie. Sie sucht nach „neuen Erlebnisweisen“ in Film, Fotografie, Funk und Fernsehen. Es geht um den Zauber der Medien und der Masse. Sie wird zu einer intellektuellen Ikone der Avantgarde. Sie will ein Star sein, aber sie kann die Leute nicht leiden, die sie anhimmeln.
Schonungslos im Tagebuch, in der Öffentlichkeit bisweilen taktisch, besonders zur Zeit der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung 1968. Beim Besuch in Hanoi zeigt sie sich über die ideologische Gleichschaltung der Menschen entsetzt, doch nur im Tagebuch. In der Reportage sind es „ganze Menschen, nicht ‚zerrissen‘ wie wir“. Diese doppelte Buchführung bekommt ihr nicht gut. „Ich habe … enorme Schwierigkeiten gehabt, über mich selbst nachzudenken, mit mir selbst im Kontakt zu sein“, heißt es im Tagebuch. Es gelingt ihr also, sich über sich selbst als öffentliche Person aufzuklären. Sie hat sich nicht mit sich selbst verwechselt. Das Philosophieren hat ihr dabei ebenso geholfen wie später bei ihrem Kampf gegen den Krebs. Krankheit als Metapher ist ein grandioses Werk der Aufklärung, das den realistischen Sinn gegen die Gespensterfurcht stärkt. (Zu ‚Geister der Gegenwart‘ von Wolfram Eilenberger: https://www.klett-cotta.de/produkt/wolfram-eilenberger-geister-der-gegenwart-9783608986655-t-8790 )
Was macht ein Kunstwerk lebendig, und warum kann übermäßige Interpretation seine Magie zerstören? Und wie können wir Kunst intensiver erleben, ohne sie auf Begriffe zu reduzieren? Gert Scobel diskutiert Susan Sontags radikales Plädoyer für eine unmittelbare, sinnliche Erfahrung von Kunst – jenseits von „Was wollte uns der Künstler sagen?“. Hier der Link zum Video von Gert Scobel: https://inv.nadeko.net/watch?v=KVOGHG5qZbo