Das Cover seines Buches „Der Schatten des Fotografen“ zeigt eine scheinbar idyllische Situation. Eine Frau watet durch flaches Wasser. Die Sonne scheint. Dass es aber ein Foto mit einer ganz anderen Geschichte ist, erzählt Lethen. „Dieses Bild wurde von einer Hamburger Kunsthistorikerin gefunden, die nach Landserfotos fahndete, die an der Ostfront gemacht worden waren. Merkwürdigerweise fand sie dieses Bild in drei verschiedenen Alben und Schuhkartons. Immer dieses Bild. Sie konnte sich einen Zusammenhang gar nicht vorstellen. Das wurde ihr unheimlich.
- „Die Wissenschaft, in der ich arbeite, ist natürlich eine Sphäre des Verdachts, wo von Wirklichkeit zu sprechen eigentlich schon eine Sünde ist, ein wissenschaftliches Versagen“, sagt Helmut Lethen. „Das Buch ist eine Polemik gegen die Sphäre des Verdachts, quasi ein Plädoyer für ‚common sense‘, dass die Medien in unseren Austauschsystemen eine außerordentlich große Rolle spielen.“
(Helmut Lethen)
Helmut Lethens Buch ist eine Einladung zum Nachdenken über Bilder. Und auch darüber, wie wenig ein Bild alleine sagt. Ein berühmtes Foto von Robert Capa, „Landung am Omaha Beach“, wurde erst durch einen Belichtungsfehler im Labor zur Ikone. Überhitzung gab dem Foto die scheinbare Authentizität. Unscharf, verschwommen, genau so war es am D-day. War es so? Die großen Kriegsfotos von heute würden mit dem Handy gemacht und je schlechter die Qualität, umso authentischer wirkten sie, sagt Lethen. „Das ist produktionell ein Überschuss an Gegenwart. Und in diesem Überschuss an Gegenwart müssen wir skeptische Schneisen schlagen, um uns überhaupt orientieren zu können. Und so pendeln wir immer zwischen der Sehnsucht nach der Wirklichkeit auf der einen und der Skepsis, dass alles nur artifiziell ist, auf der anderen Seite.“ Die Sehnsucht nach dem Echten – der Skepsis können wir nicht entrinnen. Doch manchmal hilft uns ein Bild, einen Bruchteil der Wirklichkeit zu erfassen.