‚In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der „Weltgeschichte“: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben. — So könnte Jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustrirt haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt; es gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es giebt für jenen Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten. Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwimmt und in sich das fliegende Centrum dieser Welt fühlt. Es ist nichts so verwerflich und gering in der Natur, was nicht durch einen kleinen Anhauch jener Kraft des Erkennens sofort wie ein Schlauch aufgeschwellt würde; und wie jeder Lastträger seinen Bewunderer haben will, so meint gar der stolzeste Mensch, der Philosoph, von allen Seiten die Augen des Weltalls teleskopisch auf sein Handeln und Denken gerichtet zu sehen.

Es ist merkwürdig, dass dies der Intellekt zu Stande bringt, er, der doch gerade nur als Hülfsmittel den unglücklichsten delikatesten vergänglichsten Wesen beigegeben ist, um sie eine Minute im Dasein festzuhalten; aus dem sie sonst, ohne jene Beigabe, so schnell wie Lessings Sohn zu flüchten allen Grund hätten. Jener mit dem Erkennen und Empfinden verbundene Hochmuth, verblendende Nebel über die Augen und Sinne der Menschen legend, täuscht sie also über den Werth des Daseins, dadurch dass er über das Erkennen selbst die schmeichelhafteste Werthschätzung in sich trägt. Seine allgemeinste Wirkung ist Täuschung — aber auch die einzelsten Wirkungen tragen etwas von gleichem Charakter an sich.

Der Intellekt, als ein Mittel zur Erhaltung des Individuums, entfaltet seine Hauptkräfte in der Verstellung; denn diese ist das Mittel, durch das die schwächeren, weniger robusten Individuen sich erhalten, als welchen einen Kampf um die Existenz mit Hörnern oder scharfem Raubthier-Gebiss zu führen versagt ist. Im Menschen kommt diese Verstellungskunst auf ihren Gipfel: hier ist die Täuschung, das Schmeicheln, Lügen und Trügen, das Hinter-dem-Rücken-Reden, das Repräsentiren, das im erborgten Glanze Leben, das Maskirtsein, die verhüllende Convention, das Bühnenspiel vor Anderen und vor sich selbst, kurz das fortwährende Herumflattern um die eine Flamme Eitelkeit so sehr die Regel und das Gesetz, dass fast nichts unbegreiflicher ist, als wie unter den Menschen ein ehrlicher und reiner Trieb zur Wahrheit aufkommen konnte. Sie sind tief eingetaucht in Illusionen und Traumbilder, ihr Auge gleitet nur auf der Oberfläche der Dinge herum und sieht „Formen“, ihre Empfindung führt nirgends in die Wahrheit, sondern begnügt sich Reize zu empfangen und gleichsam ein tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge zu spielen. Dazu lässt sich der Mensch Nachts, ein Leben hindurch, im Traume belügen, ohne dass sein moralisches Gefühl dies je zu verhindern suchte: während es Menschen geben soll, die durch starken Willen das Schnarchen beseitigt haben. Was weiss der Mensch eigentlich von sich selbst! Ja, vermöchte er auch nur sich einmal vollständig, hingelegt wie in einen erleuchteten Glaskasten, zu percipiren? Verschweigt die Natur ihm nicht das Allermeiste, selbst über seinen Körper, um ihn, abseits von den Windungen der Gedärme, dem raschen Fluss der Blutströme, den verwickelten Fasererzitterungen, in ein stolzes gauklerisches Bewusstsein zu bannen und einzuschliessen! Sie warf den Schlüssel weg: und wehe der verhängnissvollen Neubegier, die durch eine Spalte einmal aus dem Bewusstseinszimmer heraus und hinab zu sehen vermöchte und die jetzt ahnte, dass auf dem Erbarmungslosen, dem Gierigen, dem Unersättlichen, dem Mörderischen der Mensch ruht, in der Gleichgültigkeit seines Nichtwissens, und gleichsam auf dem Rücken eines Tigers in Träumen hängend. Woher, in aller Welt, bei dieser Constellation der Trieb zur Wahrheit!

Soweit das Individuum sich gegenüber andern Individuen erhalten will, benutzte es in einem natürlichen Zustande der Dinge den Intellekt zumeist nur zur Verstellung: weil aber der Mensch zugleich aus Noth und Langeweile gesellschaftlich und heerdenweise existiren will, braucht er einen Friedensschluss und trachtet darnach dass wenigstens das allergröbste bellum omnium contra omnes aus seiner Welt verschwinde. Dieser Friedensschluss bringt aber etwas mit sich, was wie der erste Schritt zur Erlangung jenes räthselhaften Wahrheitstriebes aussieht. Jetzt wird nämlich das fixirt, was von nun an „Wahrheit“ sein soll d.h. es wird eine gleichmässig gültige und verbindliche Bezeichnung der Dinge erfunden und die Gesetzgebung der Sprache giebt auch die ersten Gesetze der Wahrheit: denn es entsteht hier zum ersten Male der Contrast von Wahrheit und Lüge: der Lügner gebraucht die gültigen Bezeichnungen, die Worte, um das Unwirkliche als wirklich erscheinen zu machen; er sagt z.B. ich bin reich, während für diesen Zustand gerade „arm“ die richtige Bezeichnung wäre. Er missbraucht die festen Conventionen durch beliebige Vertauschungen oder gar Umkehrungen der Namen. Wenn er dies in eigennütziger und übrigens Schaden bringender Weise thut, so wird ihm die Gesellschaft nicht mehr trauen und ihn dadurch von sich ausschliessen. Die Menschen fliehen dabei das Betrogenwerden nicht so sehr, als das Beschädigtwerden durch Betrug. Sie hassen auch auf dieser Stufe im Grunde nicht die Täuschung, sondern die schlimmen, feindseligen Folgen gewisser Gattungen von Täuschungen. In einem ähnlichen beschränkten Sinne will der Mensch auch nur die Wahrheit. Er begehrt die angenehmen, Leben erhaltenden Folgen der Wahrheit; gegen die reine folgenlose Erkenntniss ist er gleichgültig, gegen die vielleicht schädlichen und zerstörenden Wahrheiten sogar feindlich gestimmt. Und überdies: wie steht es mit jenen Conventionen der Sprache? Sind sie vielleicht Erzeugnisse der Erkenntniss, des Wahrheitssinnes: decken sich die Bezeichnungen und die Dinge? Ist die Sprache der adäquate Ausdruck aller Realitäten?

Nur durch Vergesslichkeit kann der Mensch je dazu kommen zu wähnen: er besitze eine Wahrheit in dem eben bezeichneten Grade. Wenn er sich nicht mit der Wahrheit in der Form der Tautologie d.h. mit leeren Hülsen begnügen will, so wird er ewig Illusionen für Wahrheiten einhandeln. Was ist ein Wort? Die Abbildung eines Nervenreizes in Lauten. Von dem Nervenreiz aber weiterzuschliessen auf eine Ursache ausser uns, ist bereits das Resultat einer falschen und unberechtigten Anwendung des Satzes vom Grunde. Wie dürften wir, wenn die Wahrheit bei der Genesis der Sprache, der Gesichtspunkt der Gewissheit bei den Bezeichnungen allein entscheidend gewesen wäre, wie dürften wir doch sagen: der Stein ist hart: als ob uns „hart“ noch sonst bekannt wäre und nicht nur als eine ganz subjektive Reizung! Wir theilen die Dinge nach Geschlechtern ein, wir bezeichnen den Baum als männlich, die Pflanze als weiblich: welche willkürlichen Übertragungen! Wie weit hinausgeflogen über den Canon der Gewissheit! Wir reden von einer Schlange: die Bezeichnung trifft nichts als das Sichwinden, könnte also auch dem Wurme zukommen. Welche willkürlichen Abgrenzungen, welche einseitigen Bevorzugungen bald der bald jener Eigenschaft eines Dinges! Die verschiedenen Sprachen neben einander gestellt zeigen, dass es bei den Worten nie auf die Wahrheit, nie auf einen adäquaten Ausdruck ankommt: denn sonst gäbe es nicht so viele Sprachen. Das „Ding an sich“ (das würde eben die reine folgenlose Wahrheit sein) ist auch dem Sprachbildner ganz unfasslich und ganz und gar nicht erstrebenswerth. Er bezeichnet nur die Relationen der Dinge zu den Menschen und nimmt zu deren Ausdrucke die kühnsten Metaphern zu Hülfe. Ein Nervenreiz zuerst übertragen in ein Bild! erste Metapher. Das Bild wieder nachgeformt in einen

Laut! Zweite Metapher. Und jedesmal vollständiges Ueberspringen der Sphäre, mitten hinein in eine ganz andere und neue. Man kann sich einen Menschen denken, der ganz taub ist und nie eine Empfindung des Tones und der Musik gehabt hat: wie dieser etwa die Chladnischen Klangfiguren im Sande anstaunt, ihre Ursachen im Erzittern der Saite findet und nun darauf schwören wird, jetzt müsse er wissen, was die Menschen den Ton nennen, so geht es uns allen mit der Sprache. Wir glauben etwas von den Dingen selbst zu wissen, wenn wir von Bäumen, Farben, Schnee und Blumen reden und besitzen doch nichts als Metaphern der Dinge, die den ursprünglichen Wesenheiten ganz und gar nicht entsprechen. Wie der Ton als Sandfigur, so nimmt sich das räthselhafte X des Dings an sich einmal als Nervenreiz, dann als Bild, endlich als Laut aus. Logisch geht es also jedenfalls nicht bei der Entstehung der Sprache zu, und das ganze Material worin und womit später der Mensch der Wahrheit, der Forscher, der Philosoph arbeitet und baut, stammt, wenn nicht aus Wolkenkukuksheim, so doch jedenfalls nicht aus dem Wesen der Dinge.

Denken wir besonders noch an die Bildung der Begriffe: jedes Wort wird sofort dadurch Begriff, dass es eben nicht für das einmalige ganz und gar individualisirte Urerlebniss, dem es sein Entstehen verdankt, etwa als Erinnerung dienen soll, sondern zugleich für zahllose, mehr oder weniger ähnliche, d.h. streng genommen niemals gleiche, also auf lauter ungleiche Fälle passen muss. Jeder Begriff entsteht durch Gleichsetzen des Nicht-Gleichen. So gewiss nie ein Blatt einem anderen ganz gleich ist, so gewiss ist der Begriff Blatt durch beliebiges Fallenlassen dieser individuellen Verschiedenheiten, durch ein Vergessen des Unterscheidenden gebildet und erweckt nun die Vorstellung, als ob es in der Natur ausser den Blättern etwas gäbe, das „Blatt“ wäre, etwa eine Urform, nach der alle Blätter gewebt, gezeichnet, abgezirkelt, gefärbt, gekräuselt, bemalt wären, aber von ungeschickten Händen, so dass kein Exemplar correkt und zuverlässig als treues Abbild der Urform ausgefallen wäre. Wir nennen einen Menschen ehrlich; warum hat er heute so ehrlich gehandelt? fragen wir. Unsere Antwort pflegt zu lauten: seiner Ehrlichkeit wegen. Die Ehrlichkeit! das heisst wieder: das Blatt ist die Ursache der Blätter. Wir wissen ja gar nichts von einer wesenhaften Qualität, die die Ehrlichkeit hiesse, wohl aber von zahlreichen individualisirten, somit ungleichen Handlungen, die wir durch Weglassen des Ungleichen gleichsetzen und jetzt als ehrliche Handlungen bezeichnen; zuletzt formuliren wir aus ihnen eine qualitas occulta mit dem Namen: die Ehrlichkeit.

Das Uebersehen des Individuellen und Wirklichen giebt uns den Begriff, wie es uns auch die Form giebt, wohingegen die Natur keine Formen und Begriffe, also auch keine Gattungen kennt, sondern nur ein für uns unzugängliches und undefinirbares X. Denn auch unser Gegensatz von Individuum und Gattung ist anthropomorphisch und entstammt nicht dem Wesen der Dinge, wenn wir auch nicht zu sagen wagen, dass er ihm nicht entspricht: das wäre nämlich eine dogmatische Behauptung und als solche ebenso unerweislich wie ihr Gegentheil.

Was ist also Wahrheit? Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden, und die nach langem Gebrauche einem Volke fest, canonisch und verbindlich dünken: die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind, Münzen, die ihr Bild verloren haben und nun als Metall, nicht mehr als Münzen in Betracht kommen. Wir wissen immer noch nicht, woher der Trieb zur Wahrheit stammt: denn bis jetzt haben wir nur von der Verpflichtung gehört, die die Gesellschaft, um zu existiren, stellt, wahrhaft zu sein, d.h. die usuellen Metaphern zu brauchen, also moralisch ausgedrückt: von der Verpflichtung nach einer festen Convention zu lügen, schaarenweise in einem für alle verbindlichen Stile zu lügen. Nun vergisst freilich der Mensch, dass es so mit ihm steht; er lügt also in der bezeichneten Weise unbewusst und nach hundertjährigen Gewöhnungen — und kommt eben durch diese Unbewusstheit, eben durch dies Vergessen zum Gefühl der Wahrheit. An dem Gefühl verpflichtet zu sein, ein Ding als roth, ein anderes als kalt, ein drittes als stumm zu bezeichnen, erwacht eine moralische auf Wahrheit sich beziehende Regung: aus dem Gegensatz des Lügners, dem Niemand traut, den alle ausschliessen, demonstrirt sich der Mensch das Ehrwürdige, Zutrauliche und Nützliche der Wahrheit. Er stellt jetzt sein Handeln als vernünftiges Wesen unter die Herrschaft der Abstractionen: er leidet es nicht mehr, durch die plötzlichen Eindrücke, durch die Anschauungen fortgerissen zu werden, er verallgemeinert alle diese Eindrücke erst zu entfärbteren, kühleren Begriffen, um an sie das Fahrzeug seines Lebens und Handelns anzuknüpfen. Alles, was den Menschen gegen das Thier abhebt, hängt von dieser Fähigkeit ab, die anschaulichen Metaphern zu einem Schema zu verflüchtigen, also ein Bild in einen Begriff aufzulösen; im Bereich jener Schemata nämlich ist etwas möglich, was niemals unter den anschaulichen ersten Eindrücken gelingen möchte: eine pyramidale Ordnung nach Kasten und Graden aufzubauen, eine neue Welt von Gesetzen, Privilegien, Unterordnungen, Gränzbestimmungen zu schaffen, die nun der anderen anschaulichen Welt der ersten Eindrücke gegenübertritt, als das Festere, Allgemeinere, Bekanntere, Menschlichere und daher als das Regulirende und Imperativische. Während jede Anschauungsmetapher individuell und ohne ihres Gleichen ist und deshalb allem Rubriciren immer zu entfliehen weiss, zeigt der grosse Bau der Begriffe die starre Regelmässigkeit eines römischen Columbariums und athmet in der Logik jene Strenge und Kühle aus, die der Mathematik zu eigen ist. Wer von dieser Kühle angehaucht wird, wird es kaum glauben, dass auch der Begriff, knöchern und 8eckig wie ein Würfel und versetzbar wie jener, doch nur als das Residuum einer Metapher übrig bleibt, und dass die Illusion der künstlerischen Uebertragung eines Nervenreizes in Bilder, wenn nicht die Mutter so doch die Grossmutter eines jeden Begriffs ist. Innerhalb dieses Würfelspiels der Begriffe heisst aber „Wahrheit“ — jeden Würfel so zu gebrauchen, wie er bezeichnet ist; genau seine Augen zu zählen, richtige Rubriken zu bilden und nie gegen die Kastenordnung und gegen die Reihenfolge der Rangklassen zu verstossen. Wie die Römer und Etrusker sich den Himmel durch starre mathematische Linien zerschnitten und in einen solchermaassen abgegrenzten Raum als in ein templum einen Gott bannten, so hat jedes Volk über sich einen solchen mathematisch zertheilten Begriffshimmel und versteht nun unter der Forderung der Wahrheit, dass jeder Begriffsgott nur in seiner Sphäre gesucht werde. Man darf hier den Menschen wohl bewundern als ein gewaltiges Baugenie, dem auf beweglichen Fundamenten und gleichsam auf fliessendem Wasser das Aufthürmen eines unendlich complicirten Begriffsdomes gelingt; freilich, um auf solchen Fundamenten Halt zu finden, muss es ein Bau, wie aus Spinnefäden sein, so zart, um von der Welle mit fortgetragen, so fest, um nicht von dem Winde auseinander geblasen zu werden. Als Baugenie erhebt sich solcher Maassen der Mensch weit über die Biene: diese baut aus Wachs, das sie aus der Natur zusammenholt, er aus dem weit zarteren Stoffe der Begriffe, die er erst aus sich fabriciren muss. Er ist hier sehr zu bewundern — aber nur nicht wegen seines Triebes zur Wahrheit, zum reinen Erkennen der Dinge. Wenn Jemand ein Ding hinter einem Busche versteckt, es eben dort wieder sucht und

findet, so ist an diesem Suchen und Finden nicht viel zu rühmen: so aber steht es mit dem Suchen und Finden der „Wahrheit“ innerhalb des Vernunft-Bezirkes. Wenn ich die Definition des Säugethiers mache und dann erkläre, nach Besichtigung eines Kameels: Siehe, ein Säugethier, so wird damit eine Wahrheit zwar an das Licht gebracht, aber sie ist von begränztem Werthe, ich meine, sie ist durch und durch anthropomorphisch und enthält keinen einzigen Punkt, der „wahr an sich“, wirklich und allgemeingültig, abgesehen von dem Menschen, wäre. Der Forscher nach solchen Wahrheiten sucht im Grunde nur die Metamorphose der Welt in den Menschen; er ringt nach einem Verstehen der Welt als eines menschenartigen Dinges und erkämpft sich besten Falls das Gefühl einer Assimilation. Aehnlich wie der Astrolog die Sterne im Dienste der Menschen und im Zusammenhange mit ihrem Glück und Leide betrachtet, so betrachtet ein solcher Forscher die ganze Welt als geknüpft an den Menschen, als den unendlich gebrochenen Wiederklang eines Urklanges, des Menschen, als das vervielfältigte Abbild des einen Urbildes, des Menschen. Sein Verfahren ist: den Menschen als Maass an alle Dinge zu halten, wobei er aber von dem Irrthume ausgeht, zu glauben, er habe diese Dinge unmittelbar als reine Objekte vor sich. Er vergisst also die originalen Anschauungsmetaphern als Metaphern und nimmt sie als die Dinge selbst.

Nur durch das Vergessen jener primitiven Metapherwelt, nur durch das Hart- und Starr-Werden einer ursprünglich in hitziger Flüssigkeit aus dem Urvermögen menschlicher Phantasie hervorströmenden Bildermasse, nur durch den unbesiegbaren Glauben, diese Sonne, dieses Fenster, dieser Tisch sei eine Wahrheit an sich, kurz nur dadurch, dass der Mensch sich als Subjekt und zwar als künstlerisch schaffendes Subjekt vergisst, lebt er mit einiger Ruhe, Sicherheit und Consequenz; wenn er einen Augenblick nur aus den Gefängnisswänden dieses Glaubens heraus könnte, so wäre es sofort mit seinem „Selbstbewusstsein“ vorbei. Schon dies kostet ihm Mühe, sich einzugestehen, wie das Insekt oder der Vogel eine ganz andere Welt percipiren als der Mensch, und dass die Frage, welche von beiden Weltperceptionen richtiger ist, eine ganz sinnlose ist, da hierzu bereits mit dem Maassstabe der richtigen Perception d.h. mit einem nicht vorhandenen Maassstabe gemessen werden müsste. Ueberhaupt aber scheint mir die richtige Perception — das würde heissen der adäquate Ausdruck eines Objekts im Subjekt — ein widerspruchsvolles Unding: denn zwischen zwei absolut verschiedenen Sphären wie zwischen Subjekt und Objekt giebt es keine Causalität, keine Richtigkeit, keinen Ausdruck, sondern höchstens ein ästhetisches Verhalten, ich meine eine andeutende Uebertragung, eine nachstammelnde Uebersetzung in eine ganz fremde Sprache. Wozu es aber jedenfalls einer frei dichtenden und frei erfindenden Mittel-Sphäre und Mittelkraft bedarf. Das Wort Erscheinung enthält viele Verführungen, weshalb ich es möglichst vermeide: denn es ist nicht wahr, dass das Wesen der Dinge in der empirischen Welt erscheint. Ein Maler, dem die Hände fehlen und der durch Gesang das ihm vorschwebende Bild ausdrücken wollte, wird immer noch mehr bei dieser Vertauschung der Sphären verrathen, als die empirische Welt vom Wesen der Dinge verräth. Selbst das Verhältniss eines Nervenreizes zu dem hervorgebrachten Bilde ist an sich kein nothwendiges; wenn aber eben dasselbe Bild Millionen Mal hervorgebracht und durch viele Menschengeschlechter hindurch vererbt ist, ja zuletzt bei der gesammten Menschheit jedesmal in Folge desselben Anlasses erscheint, so bekommt es endlich für den Menschen dieselbe Bedeutung, als ob es das einzig nothwendige Bild sei und als ob jenes Verhältniss des ursprünglichen Nervenreizes zu dem hergebrachten Bilde ein strenges Causalitätsverhältniss sei; wie ein Traum, ewig wiederholt, durchaus als Wirklichkeit empfunden und beurtheilt werden würde. Aber das Hart- und Starr-Werden einer Metapher verbürgt durchaus nichts für die Nothwendigkeit und ausschliessliche Berechtigung dieser Metapher.

Es hat gewiss jeder Mensch, der in solchen Betrachtungen heimisch ist, gegen jeden derartigen Idealismus ein tiefes Misstrauen empfunden, so oft er sich einmal recht deutlich von der ewigen Consequenz, Allgegenwärtigkeit und Unfehlbarkeit der Naturgesetze überzeugte; er hat den Schluss gemacht: hier ist alles, soweit wir dringen, nach der Höhe der teleskopischen und nach der Tiefe der mikroskopischen Welt, so sicher, ausgebaut, endlos, gesetzmässig und ohne Lücken; die Wissenschaft wird ewig in diesen Schachten mit Erfolg zu graben haben und alles Gefundene wird zusammenstimmen und sich nicht widersprechen. Wie wenig gleicht dies einem Phantasieerzeugniss: denn wenn es dies wäre, müsste es doch irgendwo den Schein und die Unrealität errathen lassen. Dagegen ist einmal zu sagen: hätten wir noch, jeder für sich eine verschiedenartige Sinnesempfindung, könnten wir selbst nur bald als Vogel, bald als Wurm, bald als Pflanze percipiren, oder sähe der eine von uns denselben Reiz als roth, der andere als blau, hörte ein Dritter ihn sogar als Ton, so würde niemand von einer solchen Gesetzmässigkeit der Natur reden, sondern sie nur als ein höchst subjectives Gebilde begreifen. Sodann: was ist für uns überhaupt ein Naturgesetz; es ist uns nicht an sich bekannt, sondern nur in seinen Wirkungen d.h. in seinen Relationen zu anderen Naturgesetzen, die uns wieder nur als Relationen bekannt sind. Also verweisen alle diese Relationen immer nur wieder auf einander und sind uns ihrem Wesen nach unverständlich durch und durch; nur das, was wir hinzubringen, die Zeit, der Raum, also Successionsverhältnisse und Zahlen sind uns wirklich daran bekannt. Alles Wunderbare aber, das wir gerade an den Naturgesetzen anstaunen, das unsere Erklärung fordert und uns zum Misstrauen gegen den Idealismus verführen könnte, liegt gerade und ganz allein nur in der mathematischen Strenge und Unverbrüchlichkeit der Zeit- und Raum-Vorstellungen. Diese aber produciren wir in uns und aus uns mit jener Nothwendigkeit, mit der die Spinne spinnt; wenn wir gezwungen sind, alle Dinge nur unter diesen Formen zu begreifen, so ist es dann nicht mehr wunderbar, dass wir an allen Dingen eigentlich nur eben diese Formen begreifen: denn sie alle müssen die Gesetze der Zahl an sich tragen, und die Zahl gerade ist das Erstaunlichste in den Dingen. Alle Gesetzmässigkeit, die uns im Sternenlauf und im chemischen Process so imponirt, fällt im Grund mit jenen Eigenschaften zusammen, die wir selbst an die Dinge heranbringen, so dass wir damit uns selber imponiren. Dabei ergiebt sich allerdings, dass jene künstlerische Metapherbildung, mit der in uns jede Empfindung beginnt, bereits jene Formen voraussetzt, also in ihnen vollzogen wird; nur aus dem festen Verharren dieser Urformen erklärt sich die Möglichkeit, wie nachher wieder aus den Metaphern selbst ein Bau der Begriffe constituirt werden sollte. Dieser ist nämlich eine Nachahmung der Zeit- Raum- und Zahlenverhältnisse auf dem Boden der Metaphern.

 

2.

An dem Bau der Begriffe arbeitet ursprünglich, wie wir sahen, die Sprache, in späteren Zeiten die Wissenschaft. Wie die Biene zugleich an den Zellen baut und die Zellen mit Honig füllt, so arbeitet die Wissenschaft unaufhaltsam an jenem grossen Columbarium der Begriffe, der Begräbnissstätte der Anschauung, baut immer neue und höhere Stockwerke, stützt, reinigt, erneut die alten Zellen, und ist vor allem bemüht, jenes in’s Ungeheure aufgethürmte Fachwerk zu füllen und die ganze empirische Welt d.h. die anthropomorphische Welt hineinzuordnen. Wenn schon der handelnde Mensch sein Leben an die Vernunft und ihre Begriffe bindet, um nicht fortgeschwemmt zu werden und sich nicht selbst zu verlieren, so baut der Forscher seine Hütte dicht an dem

Thurmbau der Wissenschaft, um an ihm mithelfen zu können und selbst Schutz unter dem vorhandenen Bollwerk zu finden. Und Schutz braucht er: denn es giebt furchtbare Mächte, die fortwährend auf ihn eindringen, und die der wissenschaftlichen Wahrheit ganz anders geartete „Wahrheiten“ mit den verschiedenartigsten Schildzeichen entgegenhalten.

Jener Trieb zur Metapherbildung, jener Fundamentaltrieb des Menschen, den man keinen Augenblick wegrechnen kann, weil man damit den Menschen selbst wegrechnen würde, ist dadurch, dass aus seinen verflüchtigten Erzeugnissen, den Begriffen, eine reguläre und starre neue Welt als eine Zwingburg für ihn gebaut wird, in Wahrheit nicht bezwungen und kaum gebändigt. Er sucht sich ein neues Bereich seines Wirkens und ein anderes Flussbette und findet es im Mythus und überhaupt in der Kunst. Fortwährend verwirrt er die Rubriken und Zellen der Begriffe dadurch dass er neue Uebertragungen, Metaphern, Metonymien hinstellt, fortwährend zeigt er die Begierde, die vorhandene Welt des wachen Menschen so bunt unregelmässig folgenlos unzusammenhängend, reizvoll und ewig neu zu gestalten, wie es die Welt des Traumes ist. An sich ist ja der wache Mensch nur durch das starre und regelmässige Begriffsgespinnst darüber im Klaren, dass er wache, und kommt eben deshalb mitunter in den Glauben, er träume, wenn jenes Begriffsgespinnst einmal durch die Kunst zerrissen wird. Pascal hat Recht, wenn er behauptet, dass wir, wenn uns jede Nacht derselbe Traum käme, davon eben so beschäftigt würden, als von den Dingen, die wir jeden Tag sehen: „Wenn ein Handwerker gewiss wäre jede Nacht zu träumen volle zwölf Stunden hindurch, dass er König sei, so glaube ich, sagt Pascal, dass er eben so glücklich wäre, als ein König welcher alle Nächte während zwölf Stunden träumte er sei Handwerker“. Der wache Tag eines mythisch erregten Volkes, etwa der älteren Griechen, ist durch das fortwährend wirkende Wunder, wie es der Mythus annimmt, in der That dem Traume ähnlicher als dem Tag des wissenschaftlich ernüchterten Denkers. Wenn jeder Baum einmal als Nymphe reden oder unter der Hülle eines Stieres ein Gott Jungfrauen wegschleppen kann, wenn die Göttin Athene selbst plötzlich gesehen wird, wie sie mit einem schönen Gespann in der Begleitung des Pisistratus durch die Märkte Athens fährt — und das glaubte der ehrliche Athener — so ist in jedem Augenblicke, wie im Traume, alles möglich, und die ganze Natur umschwärmt den Menschen, als ob sie nur die Maskerade der Götter wäre, die sich nur einen Scherz daraus machten, in allen Gestalten den Menschen zu täuschen.

Der Mensch selbst aber hat einen unbesiegbaren Hang, sich täuschen zu lassen und ist wie bezaubert vor Glück, wenn der Rhapsode ihm epische Märchen wie wahr erzählt oder der Schauspieler im Schauspiel den König noch königlicher agirt, als ihn die Wirklichkeit zeigt. Der Intellekt, jener Meister der Verstellung, ist so lange frei, und seinem sonstigen Sklavendienste enthoben, als er täuschen kann, ohne zu schaden und feiert dann seine Saturnalien; nie ist er üppiger, reicher, stolzer, gewandter und verwegener. Mit schöpferischem Behagen wirft er die Metaphern durcheinander und verrückt die Gränzsteine der Abstraktion, so dass er z.B. den Strom als den beweglichen Weg bezeichnet, der den Menschen trägt, dorthin, wohin er sonst geht. Jetzt hat er das Zeichen der Dienstbarkeit von sich geworfen: sonst mit trübsinniger Geschäftigkeit bemüht, einem armen Individuum, dem es nach Dasein gelüstet, den Weg und die Werkzeuge zu zeigen und wie ein Diener für seinen Herrn auf Raub und Beute ausziehend ist er jetzt zum Herrn geworden und darf den Ausdruck der Bedürftigkeit aus seinen Mienen wegwischen. Was er jetzt auch thut, Alles trägt im Vergleich mit seinem früheren Thun die Verstellung, wie das frühere die Verzerrung an sich. Er copirt das Menschenleben, nimmt es aber für eine gute Sache und scheint mit ihm sich recht zufrieden zu geben. Jenes ungeheure Gebälk und Bretterwerk der Begriffe, an das sich klammernd der bedürftige Mensch sich durch das Leben rettet, ist dem freigewordenen Intellekt nur ein Gerüst und ein Spielzeug für seine verwegensten Kunststücke: und wenn er es zerschlägt, durcheinanderwirft, ironisch wieder zusammensetzt, das Fremdeste paarend und das Nächste trennend, so offenbart er, dass er jene Nothbehelfe der Bedürftigkeit nicht braucht, und dass er jetzt nicht von Begriffen sondern von Intuitionen geleitet wird. Von diesen Intuitionen aus führt kein regelmässiger Weg in das Land der gespenstischen Schemata, der Abstraktionen: für sie ist das Wort nicht gemacht, der Mensch verstummt, wenn er sie sieht, oder redet in lauter verbotenen Metaphern und unerhörten Begriffsfügungen, um wenigstens durch das Zertrümmern und Verhöhnen der alten Begriffsschranken dem Eindrucke der mächtigen gegenwärtigen Intuition schöpferisch zu entsprechen.

Es giebt Zeitalter, in denen der vernünftige Mensch und der intuitive Mensch neben einander stehen, der eine in Angst vor der Intuition, der andere mit Hohn über die Abstraction; der letztere eben so unvernünftig, als der erstere unkünstlerisch ist. Beide begehren über das Leben zu herrschen: dieser, indem er durch Vorsorge, Klugheit, Regelmässigkeit den hauptsächlichsten Nöthen zu begegnen weiss, jener indem er als ein „überfroher Held“ jene Nöthe nicht sieht und nur das zum Schein und zur Schönheit verstellte Leben als real nimmt. Wo einmal der intuitive Mensch, etwa wie im älteren Griechenland seine Waffen gewaltiger und siegreicher führt, als sein Widerspiel, kann sich günstigen Falls eine Kultur gestalten, und die Herrschaft der Kunst über das Leben sich gründen; jene Verstellung, jenes Verläugnen der Bedürftigkeit, jener Glanz der metaphorischen Anschauungen und überhaupt jene Unmittelbarkeit der Täuschung begleitet alle Aeusserungen eines solchen Lebens. Weder das Haus, noch der Schritt, noch die Kleidung, noch der thönerne Krug verrathen, dass die Nothdurft sie erfand; es scheint so als ob in ihnen allen ein erhabenes Glück und eine olympische Wolkenlosigkeit und gleichsam ein Spielen mit dem Ernste ausgesprochen werden sollte. Während der von Begriffen und Abstractionen geleitete Mensch durch diese das Unglück nur abwehrt, ohne selbst aus den Abstraktionen sich Glück zu erzwingen, während er nach möglichster Freiheit von Schmerzen trachtet, erntet der intuitive Mensch, inmitten einer Kultur stehend, bereits von seinen Intuitionen, ausser der Abwehr des Uebels eine fortwährend einströmende Erhellung, Aufheiterung, Erlösung. Freilich leidet er heftiger, wenn er leidet; ja er leidet auch öfter, weil er aus der Erfahrung nicht zu lernen versteht und immer wieder in dieselbe Grube fällt, in die er einmal gefallen. Im Leide ist er dann ebenso unvernünftig wie im Glück, er schreit laut und hat keinen Trost. Wie anders steht unter dem gleichen Missgeschick der stoische, an der Erfahrung belehrte, durch Begriffe sich beherrschende Mensch da! Er, der sonst nur Aufrichtigkeit, Wahrheit, Freiheit von Täuschungen und Schutz vor berückenden Ueberfällen sucht, legt jetzt, im Unglück, das Meisterstück der Verstellung ab, wie jener im Glück; er trägt kein zuckendes und bewegliches Menschengesicht, sondern gleichsam eine Maske mit würdigem Gleichmaasse der Züge, er schreit nicht und verändert nicht einmal seine Stimme. Wenn eine rechte Wetterwolke sich über ihn ausgiesst, so hüllt er sich in seinen Mantel und geht langsamen Schrittes unter ihr davon.‘ (Friedrich Nietzsche)

Ein wunderbarer Text über Sprachkritik und Sprachskepsis!!! Nietzsche nach haben alle sprachlichen Zeichen rein metaphorischen Charakter, bilden also ihrem Wesen nach keine Wirklichkeit ab, sondern erzeugen eine neue Wirklichkeit. Siehe auch Post ‚Sprechen und Sprechkrisen‘ und unter ‚Poetologisches‘!

Beginnen wir mit einem Gleichnis. Es geht auf eine Geschichte zurück, die J. Wisdom in seinem fesselnden und aufschlußreichen Aufsatz „Götter“ erzählte. Es waren einmal zwei Forscher, die stießen auf eine Lichtung im Dschungel, in der unter vielem Unkraut allerlei Blumen wuchsen. Da sagt der eine: „Ein Gärtner muß dieses Stück Land pflegen“. Der andere widerspricht: „Es gibt
keinen Gärtner“. Sie schlagen daher ihre Zelte auf und stellen eine Wache auf. Kein Gärtner läßt sich jemals blicken. „Vielleicht ist es ein unsichtbarer Gärtner“. Darauf ziehen sie einen Stacheldrahtzaun, setzen ihn unter Strom und patrouillieren mit Bluthunden. (Denn sie erinnern sich, daß „Der unsichtbare Mann“ von H.G. Wells zwar gerochen und gefühlt, aber nicht gesehen werden konnte.) Keine Schreie aber lassen je vermuten, daß ein Eindringling einen Schlag bekommen hätte. Keine Bewegung des Zauns verrät je einen unsichtbaren Kletterer. Die Bluthunde schlagen nie an. Doch der
Gläubige ist immer noch nicht überzeugt: „Aber es gibt doch einen Gärtner, unsichtbar, unkörperlich und unempfindlich gegen elektrische Schläge, einen Gärtner, der nicht gewittert und nicht gehört werden kann, einen Gärtner, der heimlich kommt, um sich um seinen geliebten Garten zu kümmern“. Schließlich geht dem Skeptiker die Geduld aus: „Was bleibt eigentlich von deiner ursprünglichen Behauptung noch übrig? Wie unterscheidet sich denn das, was du einen unsichtbaren, unkörperlichen, ewig unfaßbaren Gärtner nennst, von einem imaginären oder von überhaupt keinem Gärtner?“

„Let us begin with a parable. It is a parable developed from a tale told by John Wisdom in his haunting and revolutionary article “Gods.”  Once upon a time two explorers came upon a clearing in the jungle. In the clearing were growing many flowers and many weeds. One explorer says, “Some gardener must tend this plot.” The other disagrees, “There is no gardener.” So they pitch their tents and set a watch. No gardener is ever seen. “But perhaps he is an invisible gardener.” So they set up a barbed-wire fence. They electrify it. They patrol with bloodhounds. (For they remember how H. G. Well’s The Invisible Man could be both smelt and touched though he could not be seen.) But no shrieks ever suggest that some intruder has received a shock. No movements of the wire ever betray an invisible climber. The bloodhounds never give cry. Yet still the Believer is not convinced. “But there is a gardener, invisible, intangible, insensible, to electric shocks, a gardener who has no scent and makes no sound, a gardener who comes secretly to look after the garden which he loves.” At last the Sceptic despairs, “But what remains of your original assertion? Just how does what you call an invisible, intangible, eternally elusive gardener differ from an imaginary gardener or even from no gardener at all?”

Gerade den Austerroman ‚Travels in the Scriptorium‘ zu Ende gelesen. In meinen Augen ein typischer Auster: der Erzähler ist genauso unwissend wie die Hauptfigur. Wie wohltuend! Er versucht nicht, den allwissenden Erzähler raushängen zu lassen.

Mal wieder in der Bücherei fündig geworden und ne tolle Dvd ausgeliehen: ‚Once‘ von John Carney ist ein filmischer und musikalischer Hochgenuss über die Begegnung und Freundschaft einer Pianistin und eines Straßenmusikers. Geht wirklich unter die Haut!!!

Noch eine Musik- und Filmempfehlung: der tolle Bob Dylan-Film von Todd Haynes ‚I’m not there‘. Vor allem die fragmentarische multiperspektivische Erzählweise finde ich einfach genial, trifft sie doch den innersten Kern von Bob Dylans Multipersönlichkeit.

Zwei neue Bücher habe ich mir gekauft: zum einen ‚Roumeli‘ von Patrick Leigh Fermor und zum anderen die literarische Vorlage zum diesjährigen Oscargewinner ‚Slumdog Millionaire‘ von Vikas Swarup, verfilmt von Danny Boyle, dem Regisseur von ‚Trainspotting‘, ab 19.3. in den deutschen Kinos.

Gerade den belgischen Film ‚Ben X‘ von Nic Balthazar gesehen, der auf grandiose Weise davon erzählt, wie ein ‚etwas anderer‘ Junge sein Leben als Computerspiel gestaltet. Es geht um das real existierende Computergame ‚Archlord‘, das sich immer mehr in die Realität des Titelhelden drängt. Dies ist ein Onlinespiel, in dem viele per Headset verbundene Menschen gleichzeitig zusammen spielen können und sich zu sogenannten Gilden zusammenschließen können, um die gesetzten Ziele erreichen und somit im Level steigen zu können. Das erhöht die Suchtgefahr, den Gruppenzwang und vor allem natürlich den Realitätsverlust. Die virtuelle Ebene wird immer beherrschender und realer, bis Ben………

Ostern zusammen mit Thomas und Ines die tolle deutsche Komödie ‚Keinohrhasen‘ angeschaut. Einfach perfekt!

In ‚Druckfrisch‘ (Sendung vom 12.4.09), neben dem ‚Literaturclub‘ meine literarische Lieblingssendung, ein Portrait von Juli Zeh anlässlich ihres neuen Romans ‚Corpus Delicti‘ gesehen. Diese Autorin interessiert mich sehr, spricht sie mir doch in vielem von der Seele, wenn sie z.B. diesen momentanen Echtheits- und Gesundheitswahn anprangert und sich gegen die schleichende Vereinnahmung der Freiheit des Menschen durch Vater Staat sogar per Verfassungsklage gegen die Erfassung unserer Fingerabdrücke für den neuen Reisepass wehrt. Ihre Rückbesinnung auf ‚die alten Werte‘ wie die Würde und die Freiheit des Menschen sind unantastbar, der Mensch gehört zuerst sich selbst gefällt mir außerordentlich. Mit anderen Worten: ich muss mal was von ihr lesen!!!
Gesagt getan: ich lese gerade ihren Erstlingsroman ‚Adler und Engel‘.

Natürlich die neue U2-CD (‚No Line On The Horizon‘) gehört. Diese Band ist immer noch neben Faithless eine meiner Lieblingsbands, vor allem auch dank der grandiosen U2-Coverband ‚Achtung Baby‘, die am 28.8. ihre erste eigene CD veröffentlichen wird unter dem Bandnamen ‚2nd Moon‘. Viel Glück dabei!!!

Mal wieder auf dem Rilketrip! Hab mir aus der Bücherei zwei Lyrik-CDs aus der tollen Rilke Projekt-Reihe von Schönherz und Fleer ausgeliehen und genieße jede Sekunde!!!

Vom 13.-24. Mai läuft das Cannes Filmfestival, u.a. mit neuen Filmen von Tarantino, Ken Loach, Michael Haneke, Pedro Almodovar. Absolut hochkarätig besetzt!!!
And the winner is: Michael Haneke mit ‚Das weiße Band‘! Tolle Wahl, gehört dieser Regisseur doch seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingsregisseuren! Glückwunsch!!! Leider erst Ende des Jahres 2009 in den deutschen Kinos zu sehen. Gerade Dirk zum 50. Geb. das Buch zum Film gekauft. Am 28.10. im Kino (‚Roxy‘ in Dortmund) gesehen und total begeistert; wirklich das Beste, was ich zum Thema ‚Ursprünge radikalen Denkens und Handelns‘ gesehen habe. Allseits herrscht eine unbestimmte unbeschreibbare unzeigbare böse Vorahnung, als ob Kafka das Drehbuch geschrieben hätte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese hochexplosive Gemisch aus Triebverzicht und -abfuhr in die Luft gehen wird. Bei Haneke ist immer das entscheidend, was man nicht sieht. Überspitzt und paradox ausgedrückt macht er blindes Kino. Es geht ihm um den Film, der sich im Zuschauer abspielt.

Das Leben schreibt immer noch die tollsten Geschichten: Antonis Teilnahme bei der griechischen Version von ‚Bauer sucht Frau‘ ist nicht zu toppen!!! http://www.youtube.com/watch?v=P95QwVtSgwc

Meine momentane Lektüre (Juli 09): ‚Ein anderes Leben‘ von Per Olov Enquist. Diese Autobiographie ist vor einigen Wochen im ‚Literaturclub‘ besprochen worden und hat mein Interesse geweckt. Wie so oft habe ich auch dieses Buch in der Stadtbücherei zur Anschaffung vorgeschlagen und bin nun der erste Leser. Ein schönes Gefühl!!! Seinen Stil mag ich, weil er nicht den allwissenden Erzähler raushängen lässt, sondern als Unwissender, Ahnungsloser auf sein rastloses brüchiges Leben zurückblickt, in dem er fast ersoffen wäre. Gerade im letzten Drittel schreibt er über das Wesentliche: seine Trunksucht, sein Ersaufen. Durch das Schreiben des Romans einer Auferstehung (‚Kapitän Nemos Bibliothek‘, 1990) schafft er seine eigene Wiederauferstehung. Bezüglich der Gründe für seine Alkoholsucht spricht der Autor von einem Sucht-Gen, das er von seinem früh verstorbenen Vater geerbt haben könnte. ( Enquist: Nein, es ist nicht meine, sondern das gehört zu den möglichen Erklärungen für die Entstehung des Alkoholismus. Dieses expansive Gen, dieses Künstler-Gen, finden Sie auffällig oft bei Schriftstellern; alle amerikanischen Literaturnobelpreisträger sind am Alkohol gestorben! Dieser schreckliche Autorenberuf ist doch ein furchtbarer Beruf! Man muss schreiben. Manchmal kann man nicht und muss doch, und dann ist der Alkohol ein einfacher Ausweg. Ich verstehe meine Kollegen, ich verstehe mich. Ein schreibender Autor trinkt keinen Alkohol. Ein nichtschreibender Autor trinkt Alkohol.)
Mittlerweile habe ich den Enquist-Roman ‚Kapitän Nemos Bibliothek‘ bei ‚ebay‘ ersteigert und bereits angelesen. Max Frisch würde sagen: ‚…ohne auszuweichen in Erfindungen…‘, also ohne den allwissenden Erzähler raushängen zu lassen. Man merkt ihm die existentielle Bedeutung für den Schöpfer in jedem Wort an.

Richard David Prechts ‚Wer bin ich und wenn ja, wie viele‘ ist eine kurzweilige philosophische Reise, die mich u.a. dazu gebracht hat, Nietzsches ‚Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne‘ erstmals zu lesen. Hier der Anfang: ‚In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der „Weltgeschichte“: aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben. — So könnte Jemand eine Fabel erfinden und würde doch nicht genügend illustrirt haben, wie kläglich, wie schattenhaft und flüchtig, wie zwecklos und beliebig sich der menschliche Intellekt innerhalb der Natur ausnimmt; es gab Ewigkeiten, in denen er nicht war; wenn es wieder mit ihm vorbei ist, wird sich nichts begeben haben. Denn es giebt für jenen Intellekt keine weitere Mission, die über das Menschenleben hinausführte. Sondern menschlich ist er, und nur sein Besitzer und Erzeuger nimmt ihn so pathetisch, als ob die Angeln der Welt sich in ihm drehten. Könnten wir uns aber mit der Mücke verständigen, so würden wir vernehmen, dass auch sie mit diesem Pathos durch die Luft schwimmt und in sich das fliegende Centrum dieser Welt fühlt.‘
Damit liegt er genau auf meiner Wellenlänge. Ich versuche, ihn nicht aus den Augen zu verlieren! – Mittlerweile habe ich sein Buch über die Moral ‚Die Kunst, kein Egoist zu sein‘, erschienen 2010, gelesen. Und ich kann mich nur wiederholen: der Mann hat was zu sagen!!! Seine gesellschaftlichen Verbesserungsvorschläge unterschreibe ich voll und ganz, nur wo ist die dazugehörige Partei? Ein paar Stichworte: sozialer Patriotismus, Beschränkung oder Abschaffung der Bundesländer, Stärkung der Kommunen, kommunale und bundesweite Volksentscheide, Konkordanzdemokratie (Beteiligung aller Parteien an der Regierung), Kommunitarismus (der Mensch als Gemeinschaftswesen). Precht stellt Fragen, die ich mir auch stelle: Wer kontrolliert Politik und Wirtschaft? Wer reformiert unser aufgeblähtes ‚demokratisches‘ System? Die Politiker sägen ja nicht am eigenen Ast! Was kann ich tun? Und das Schöne ist: Precht gibt auch ein paar Antworten! Also: raus aus der Deckung!!! Mehr dazu noch unter ‚Poetologisches…‘!

Wieder mal etwas von Max Frisch aus dem Regal geholt: seinen ‚Stiller‘. Ganz große Literatur wegen der einmaligen Erzählperspektive!!!

Gerade den neuen Roman der diesjährigen Nobelpreisgewinnerin für Literatur Herta Müller in der Bücherei ausgeliehen: ‚Atemschaukel‘. Natürlich ist die Vorfreude auf die Lektüre riesig!!! Nach den ersten Seiten weiß ich, dass diese Autorin den Preis absolut verdient hat, vor allem wegen solcher Sätze: ‚Ich habe mich so tief und so lang ins Schweigen gepackt, ich kann mich in Worten nie auspacken.‘ – Hab das Buch nicht zu Ende gelesen; einfach nicht mein Geschmack!!! Mal sehen, ob ich mit Kathrin Schmidts ‚Du stirbst nicht‘ (Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2009) mehr Glück haben werde. —– Auch nicht mein Fall!?!??

Eventuell wird es mir mit Roberto Bolano besser ergehen. Seinen letzten Roman ‚2666‘ werde ich bald in der Bücherei abholen können. Hier etwas zum Autor: »Gut zu schreiben«, sagte Roberto Bolaño, »bedeutet, dass man fähig ist, seinen Kopf ins Dunkel zu stecken, ins Leere zu springen; dass man weiß, Literatur ist ein grundsätzlich gefährlicher Beruf. Das ist rennen am Rande des Abgrunds: Auf der einen Seite geht es bodenlos tief hinunter, auf der anderen sind die Gesichter derer, die man liebt, die lächelnden Gesichter derer, die man liebt, und die Bücher und die Freunde und das Essen. Und dieses Offensichtliche muss man akzeptieren, obwohl es manchmal schwerer auf uns lastet als die Grabplatte, die die Überreste aller toten Schriftsteller bedeckt.«
Vielleicht werde ich an meinem ersten Onlineleseprojekt teilnehmen, und zwar unter http://www.zwei666.de/. Daraus ein wunderbarer Beitrag aus ‚Implizit‘, dem Blog von Thorsten Wiesmann, mit dem Titel ‚Bolano als Erzähler‘; hier ein paar Ausschnitte: ‚Und wie steht es um Roberto Bolaño? Wie im Werk von Onetti basiert die Handlungsstruktur bei ihm zumeist auf einem oder mehreren Erzählern, die zahlreiche, unvollständige oder hypothetische Versionen des Geschehens geben. Was in “Wirklichkeit” geschah verschwindet in einer Atmosphäre der Relativität: Alles ist offen gelegt eben als Verschleierung subjektiver Vermittlung. Auch der Erzähler ist jemand hier der nur Standpunkte einnimmt, Vermutungen äußert oder Schlüsselinformationen unterschlägt.‘
Mittlerweile 150 Seiten gelesen und total begeistert. Lange Zeit nicht mehr mit so viel Vergnügen und Elan solch einen dicken Wälzer (1085 Seiten) gelesen. Mein Fazit nach dem ‚Teil der Kritiker‘: ganz große Literatur, einzigartig, bolanoesk!!! Und natürlich große Vorfreude auf die kommenden vier Teile! Mittlerweile auf Seite 850; immer noch wunderbar!!! – Es ist geschafft! Uns was soll ich sagen: es könnte meinetwegen noch tausende Seiten so weiter gehen. Hier einige seiner Lieblingsbücher aus seinem letzten Interview 2003:
“In reality the five books are more like 5,000. I’ll mention these only as the tip of the spear: Don Quixote by Cervantes, Moby Dick by Melville. The complete works of Borges, Hopscotch by Cortázar, A Confederacy of Dunces by Toole. I should also cite Nadja by Breton, the letters of Jacques Vaché. Anything Ubu by Jarry, Life: A User’s Manual by Perec. The Castle and The Trial by Kafka. Aphorisms by Lichtenberg. The Tractatus by Wittgenstein. The Invention of Morel by Bioy Casares. The Satyricon by Petronius. The History of Rome by Tito Livio. Pensées by Pascal.”
Um weiterhin auf dem Bolano-Trip bleiben zu können, habe ich mir seinen Roman ‚Die wilden Detektive‘ bestellt und werde begleitend zur Lektüre dieses Leseprojekt verfolgen: http://www.wilde-leser.de/. Diese Seite kann ich nur wärmstens empfehlen, sie ist wirklich hilfreich und äußerst informativ!

Gerade Fatih Akins fantastischen Film ‚Soul Kitchen‘ gesehen; sicherlich eine der besten Komödien der letzten Jahre mit wunderbaren Schauspielern, tollem Soundtrack und einem wahnsinnigen Erzähltempo prallvoll mit purer Lebenslust gefüllt!!!

Momentan lese ich das neue Sachbuch von Frank Schirrmacher ‚Payback‘, ein kritischer Zustandsbericht über unsere Informationsgesellschaft. Er hat wirklich was zu sagen und vor allem auch zu fragen, z.B. ob wir damit begonnen haben, uns selbst wie Maschinen zu behandeln. Er zitiert zudem aus dem Klassiker der Medienkritik (Neil Postman ‚Wir amüsieren uns zu Tode‘) folgendes: ‚In >1984< werden Menschen kontrolliert, indem man ihnen Schmerzen zufügt. In der >Schönen neuen Welt< werden Menschen kontrolliert, indem man ihnen Freude zufügt.‘

Normalerweise lese ich keine Theaterstücke, aber für meinen Lieblingsschriftsteller Christoph Ransmayr und seinen ‚Odysseus, Verbrecher.‘ habe ich eine Ausnahme gemacht. – Und es hat sich wirklich gelohnt: sein moderner Odysseus wird als extrem traumatisierter Kriegsveteran gezeigt, der seine eigene korrupte, bankrotte Heimat ebenso wenig wiedererkennt wie seine zerrissene Familie und beide zutiefst desillusioniert wieder verlassen muss. Das kommt meinem Bild von Odysseus ziemlich nahe: für mich ist er ein dermaßen vom Krieg traumatisierter Mensch, dem nur noch die einzige Chance bleibt, als illegaler Einwanderer in seine Heimat zurückzukehren, von niemandem wiedererkannt und letztendlich wieder abgeschoben wird. So nach dem Motto: wer braucht und kennt heutzutage überhaupt noch mythische Helden wie Odysseus???!!! Odysseus ist tot!!! Gehen uns wirklich die echten Helden aus???

Stieg Larsson ist in mein Leben getreten, und zwar mit der grandiosen Verfilmung seines Romans ‚Verblendung‘ von Niels Arden Oplev. Dieses Buch muss ich einfach lesen!!! Es imponiert mir, wie der leider viel zu früh verstorbene Autor diese unglaubliche Familiengeschichte erzählt und die gespaltene, traumatisierte weibliche Hauptfigur Lisbeth Salander erschafft.

Wieder mal verdanke ich dem 3sat – Moderator Gert Scobel einen tollen Buchtip: ‚Der Sinn des Lebens‘ von Terry Eagleton. Wirklich ein sehr gutes Buch! Man merkt dem Autor an, dass er kein komplizierter Philosoph ist, sondern ein klar verständlicher englischer Literaturprofessor. Ich werde sicherlich noch andere Bücher von ihm lesen und seine Literaturliste durchforsten, vor allem Ludwig Wittgenstein und seinen ‚Tractatus‘. (Dazu siehe auch unter ‚Poetologisches‘!)
Peter Sloterdijk schreibt über Wittgenstein: ‚Ihm selbst war schmerzlich bewußt, daß er an einer Art von Lord-Chandos-Neurose laborierte – einer Störung des Vermögens, in Worten Weltzusammenhänge zu behaupten und an diese Zusammenhangsbehauptungen zu glauben…‘
Genau solche Menschen interessieren mich ungemein! Und wenn wie im ‚Tractatus‘ ein solch toller erster Satz steht (‚Die Welt ist alles, was der Fall ist‘), dann gibt es kein Halten mehr. Ich muss diesen Menschen kennen lernen. Zudem habe ich dabei das Gefühl, mit dieser Spurensuche nicht weit von mir entfernt zu sein. Es tut einfach gut!!! Dazu nochmal Wittgenstein: ‚Wer sich selbst nicht kennen will, der schreibt eine Art Betrug. Wer in sich selbst nicht heruntersteigen will, weil es zu schmerzhaft ist, bleibt natürlich auch mit dem Schreiben an der Oberfläche.‘

Am 1. Mai ‚Faithless‘ live in Köln erlebt. Wirklich das beste Livekonzert aller Zeiten! Ich bin schon gespannt auf die neue Cd, die Mitte Mai erscheinen wird. – Sie ist mit das Beste, was diese Band jemals gemacht hat. – Nochmals Karten gekauft für das Konzert am 25.11.2010 in Düsseldorf! Letztes Konzert vor der Auflösung meiner Lieblingsband. Unglaublich, aber wahr!!!

Vor kurzem habe ich einen wunderbaren Film gesehen, und zwar ‚Das geheime Leben der Worte‘ von Isabel Coixet. Wie es der Titel schon sagt, geht es um das tiefe Geheimnis der Worte, die manchmal nichts zu sagen haben und manchmal alles bedeuten können. Manchmal gehen sie verloren und manchmal können auf einmal wieder aus einem herausbrechen. Eine unglaubliche Liebesgeschichte zwischen Hanna (gespielt von Sarah Polley) und Josef (gespielt von Tim Robbins).

Auf keinen Fall möchte ich Thomas Metzinger und sein tolles Sachbuch ‚Der Ego-Tunnel‘ vergessen. Dieser Name taucht auch im Precht-Buch ‚Die Kunst, kein Egoist zu sein‘, das ich momentan lese. Das Ich als gefühlte Realität, als reine Fiktion, erzeugt von unserem Gehirn, sich ständig verändernd. Auch hier bewahrheitet sich die zentrale Lebensmaxime: Was ist, kann nicht bleiben!!!

Meine momentane Lektüre ist das Sachbuch ‚Der Ausweg aus dem Fliegenglas‘ von Gert Scobel, der sich die Frage stellt, wie wir Glauben und Vernunft in Einklang bringen können. Außerdem habe ich mir über die Fernleihe Charles Taylors ‚Ein säkulares Zeitalter‘ bestellt. Beide Bücher lese ich parallel.

Auf einmal ist Fernando Pessoa da mit seinem ‚Das Buch der Unruhe‘. Was für ein Hammer!!!

Einer meiner Lieblingsregisseure ist Christopher Nolan, vor allem seit ‚Memento‘. Gerade ‚Inception‘ (2010) gesehen. Einfach genial!!! Dazu aus einer epd Film-Kritik von Frank Schnelle: ‚Hier wie dort dreht sich alles um geniale Strippenzieher, um Täuschungen und falsche Identitäten, um den raffinierten mindfuck, der bei Nolan immer im Spiel ist. Beide Filme bieten Diskurse über das Verhältnis von Wahrheit und Lüge, Realität und Imagination, und beide deklarieren die filmische Erzählung als unzuverlässige Instanz. Es gibt keine Sicherheiten, weder räumlich noch zeitlich; man darf den Bildern und Bilderfolgen nicht trauen, weil sie nicht objektiv sind, sondern relativ.‘ Ich mag unzuverlässige Erzähler, lasse mir gerne den Kopf verdrehen, sodass ich nicht mehr weiß, wo und wer ich gerade bin! Ähnlich geht es mir mit David Lynch, Brian Singer, David Fincher! Geniale mindfucker!!!

‚Palermo Shooting‘ von Wim Wenders gesehen. Er hat immer was zu zeigen, sagen, hören…Nicht von ungefähr ist ja ‚Paris, Texas‘ mein Lieblingsfilm!!!

Zwei Bücher bestellt: zum einen ‚Weisheit‘ von Gert Scobel und ‚Barney’s Version‘ von Richler (hab gerade die gleichnamige Verfilmung im ‚Roxy‘ in Dortmund gesehen). Desweiteren möchte ich unbedingt das neue Interviewbuch von Stephane Hessel ‚Engagiert euch‘ lesen und den neuen Film ‚Sommer in Orange‘ von Marcus H. Rosenmüller sehen!!!

Gerade Lars von Triers bildgewaltigen Film ‚Melancholia‘ gesehen. Tolles Endzeitepos mit unvergesslichen Bildern und grandiosen Schauspielern!!! Die beiden gegensätzlich portraitierten Schwestern Claire (Verstand) und Justine (Gefühl)  sind als Alter Ego des gespaltenen Regisseurs zu sehen, der mit diesem Film versucht hat, seiner eigenen Depression Herr zu werden.

Zwei tolle Filme zum Thema ‚Sterben‘ gesehen: zum einen ‚Halt auf freier Strecke‘ von Andreas Dresen, zum anderen ‚Liebe‘ von Michael Haneke. Angesichts der beiden Trauerfälle (mein Vater und Schwiegervater) Anfang 2012 innerhalb von acht Wochen sind mir diese Filme noch tiefer unter die Haut gegangen als normal.

Bücher von Antonio Damasio (‚Self Comes to Mind‘) und Daniel Kahneman (‚Thinking, Fast and Slow‘) gelesen.  Der kommende Bücherherbst wartet mit neuen Büchern von Scobel und Ransmayr auf mich. Große Vorfreude!!! —– Beide Bücher sind richtig gut!!!

Für zwei Nachhilfeschüler, die kurz vor dem Abi stehen, habe ich ‚Tauben im Gras‘ von Wolfgang Koeppen gelesen. Tolle Lektüre, vor allem diese kühne Montage- und Collageerzählweise gefallen mir außerordentlich!!! Werde dazu in ‚Poetologisches‘ noch was posten!